Die Lebensbedingungen im Ghetto

Nach ihrer Ankunft im Ghetto wurden Frauen und Männer getrennt, Familien auseinandergerissen, wie der tschechische Überlebende Hanuš Hron eindrücklich beschreibt:

„In Theresienstadt ... war es so, in den ersten Tagen oder ersten Monaten oder vielleicht ein ganzes Jahr, solange noch die ehemalige Bevölkerung in Theresienstadt lebte, (…) waren die Männer und die Frauen getrennt in verschiedenen Kasernen und (…) man konnte sich nicht besuchen … und nur wenn man das Glück hat (…) man ging in eine andere Kaserne zu arbeiten, also hat man vielleicht die Frau oder die Schwester getroffen“.

Hanuš Hron, 2021

Die Häftlinge wohnten in Kasernen, in denen zuvor Soldaten der Wehrmacht untergebracht waren und nur kahle Wände zurückgelassen hatten, und in anderen Gebäuden innerhalb der Großen Festung. Das Ghetto war schnell überfüllt, die Ankommenden bezogen Dachböden, kamen in Hauseingängen, in Kellern, auf Höfen oder in Verschlägen unter, überall in unerträglicher Enge. In den überfüllten Räumen konnten sich die Häftlinge kaum bewegen, sie schliefen auf Strohsäcken in Stockbetten oder auf den blanken Fußböden, es gab keine Privatsphäre.

„Ich erhielt auf dem zugigen Dachboden der Hannover-Kaserne einen Platz mit Matratze aus Papiergewebe, gefüllt mit sehr wenig Stroh, Größe 190 x 80 cm. Die Matratzen lagen auf den Fußböden mit Zwischenräumen von 15 cm, die Transportnummer an der Wand. Der Platz auf dem Dachboden sollte für die nächste Zeit meine Bleibe sein. In meinem Rucksack hatte ich eine Decke, die mir gute Dienste leistete. Man hatte weder Laken noch Kissen, man schlief mit angezogenen Sachen. Der Wind blies durch die offenen Dachsparren, man musste sich warmhalten, denn irgendeine Form von Heizung gab es nicht.“

Walter Grunwald in seinem Bericht „Erlebtes“

Auch die hygienischen Verhältnisse waren aufgrund der Überfüllung des Lagers katastrophal, es bestand ein Mangel an sanitären Einrichtungen, die (Trink-)Wasserversorgung war völlig unzureichend.

„Theresienstadt (hatte) vor dem Krieg inklusive der ganzen Militärbesatzung 12.000 Einwohner (…) und auf einmal sind die Einwohner gestiegen bis zu 55.000, also das schlimmste Problem war Wasser.“

Hanuš Hron, 2021

Infolge dieser zugespitzten Verhältnisse vermehrten sich Erreger sowie Ungeziefer und Ratten, Krankheiten und Epidemien breiteten sich aus. Diese desolate gesundheitliche Situation der Menschen wurde durch die unzureichende Ernährung und schwere körperliche Arbeit verschärft.

„Warmes Essen gab es nur einmal am Tag, zur Mittagszeit, meist eine undefinierbare Suppe, die vor allem aus Wasser bestand“

Walter Grunwald in seinem Bericht „Erlebtes“

Das Fehlen von Medikamenten und medizinischer Ausstattung, welches auch durch die Anstrengungen der jüdischen Ärzt:innen und Pfleger:innen nicht aufgefangen werden konnte, traf insbesondere ältere Menschen.

„Am schlimmsten war es für alte Leute, die keine Arbeit hatten, auch die Nahrungsraten waren für sie kleiner, also diese Leute hungerten eigentlich. (…) Mitte 1942 kamen Transporte von überalterten (?) Leuten aus Deutschland (…), also das waren Zehntausende von alten Leuten, man hat ihnen zwar gesagt, sie gehen in eine Kur, in eine Kurstadt, aber das war selbstverständlich nur eine Lüge. (…) außerdem hatten sie Hunger und Krankheiten, also die Todesrate in Theresienstadt ist gestiegen auf 180 Personen pro Tag.“

Hanuš Hron, 2021

Walter Grunwald litt zudem unter der Bürokratie der Lagerverwaltung, Korruption und Diebstahl, welche durch die Situation im Ghetto ebenso begünstigt wurden wie der „Brotneid“:

„Verließ man seine Matratze, hatte man Sorge, dass man bestohlen wurde. Man musste die wenigen Habseligkeiten gut verstecken, das lernte man ziemlich schnell. Ich konnte mich mit dieser Umgebung nicht abfinden. Ich war nahe daran, aufzugeben.“

Walter Grunwald in seinem Bericht „Erlebtes“

Durchlassschein für Herbert Kolb zum Ghetto-Bahnhof in Theresienstadt, 1. März 1944
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