Werner Falk (1908 – 1945?)

Eine Fluchtbiographie

Werner Falk in einer Fotografie seiner Schwester Grete, um 1930
  • © Yad Vashem

Werner Falk wurde am 21. März 1908 in Hannover in einer jüdischen Familie geboren. Gemeinsam mit seiner Mutter Anna Karolina Falk (geborene Cleffmann) wurde er mit dem „93. Alterstransport“ am 30. Juni 1943 von Berlin nach Theresienstadt deportiert. Zuletzt hatten sie ihre Wohnung im Ostberliner Samariterviertel in der Rigaer Straße 27, in einem ehemaligen Kohlengeschäft mit Blick in den Hof. Dort lebte Werner mit seiner Mutter, seiner getauften Schwester Grete Wolters und deren Tochter Gisela (geb. 1930) – lange als Jüdinnen:Juden unentdeckt – unter ärmlichen Verhältnissen. Werner arbeitete anfangs als Mitinhaber eines Papiergroßhandels und konnte nach Verschärfung der Repressionen gegen Juden noch als Hilfsarbeiter im Geschäft bleiben.

Die Nichte Gisela Wolters-Sajn erzählt:

„Ich hatte noch einen Onkel [Werner Falk], also den Sohn meiner Großmutter, wie ich es sagte, und der war beschäftigt in einem Papiergroßhandel. Und zwar hatte er wohl mit dem Chef diese Firma gemeinsam. Es war der Chef sozusagen auch Kompagnon. Nur, er durfte ja nicht mehr angestellt sein als Jude, besonders nicht als Chef, und da kamen sie überein, sie würden ihn nur als Packer registrieren in der eigenen Firma. Nun war es so, dass mein Onkel wahrscheinlich noch sorgte für die Familie, so lang er konnte.“

Werners Schwester Grete Wolters gelang es mehrmals, die jüdischen Wurzeln der Falks gegenüber den Behörden zu verschleiern. Aus dieser erfolgreichen Verwirrungstaktik resultierte nach Giselas Bericht ein relativ ungestörtes Leben der Familie. Grete war in einem Fotogeschäft angestellt und hatte besonders bei Wehrmachts-Urlaubern viel Anerkennung als Fotografin gefunden. Erst als die Gestapo Anfang 1943 auf die Familie Falk aufmerksam wurde, musste Werner im Keller seines Papiergeschäfts versteckt leben. Als Anna und Werner Falk dann gegen Ende Juni doch von der Gestapo abgeholt wurden, lag die Schwester gerade wegen eines akuten Schwächeanfalls im Krankenhaus (Diagnose: Tuberkulose) und konnte das Geschehen nicht mehr beeinflussen. Sie hatte lediglich für das Entkommen der 13-jährigen Gisela vorgesorgt. Deren abenteuerliche Schilderungen der Fluchtumstände, der vorübergehenden Adoption durch ein älteres Ehepaar, der getrennten Wege von Mutter Grete und Tochter Gisela und des schließlich glücklichen Wiedersehens mit der lungenkranken Mutter im Winter 1944 in einem Teplitzer Sanatorium sind ein eigenes Kapitel. Gisela und Grete blieben mit Anna Falk nach der Befreiung Theresienstadts und dem Kriegsende in Trnovany/ČSR.

Werner hatte sich 1944 von Theresienstadt zur Arbeit nach Wulkow gemeldet. Von hier unternahm er im Oktober 1944 einen Fluchtversuch nach Berlin. Offenbar wurde er dort von der Gestapo aufgegriffen, in der Schulstraße inhaftiert und von dort nach Sachsenhausen oder nach Theresienstadt in die Kleine Festung deportiert. Nach einer Besprechung des Judenältesten Benjamin Murmelstein mit dem Kommandanten des Ghettos Theresienstadt Karl Rahm am 20. Februar 1945, nach der Rückkehr der Wulkower Gruppe ins Ghetto, wurde Werner Falk von der Liste der Ghettobewohner:innen gestrichen. Damit verliert sich seine Spur. Seine Mutter Anna war in der Zwischenzeit infolge der Sorgen und Entbehrungen im Ghetto sowie einer überstandenen Meningitis sehr hinfällig geworden und hatte nichts mehr von ihrem Sohn erfahren. Intensive Nachforschungen 1947 durch Grete Wolters (Greta Woltersová), im Namen ihrer Mutter Anna Falk, um ihren Bruder und Sohn blieben ergebnislos.

Zitat Gisela Wolters-Sajn:

„Und meine Mutter [Grete Wolters] suchte aber nach ihrem Bruder. Und da sie in der ganzen Stadt nachfragte, kam sie an einen Herren. Der hieß Liewerand. Und der war zufällig mit meinem Onkel in das Lager Wulkow-Zossen, das war ein Deckname, transportiert worden mit ihm zusammen. Der konnte wieder erzählen, wie‘s ergangen ist mit dem Onkel. Die hatten einen Barackenbau zu machen, und der Onkel wollte fliehen, weil er wahrscheinlich merkte, er ist sehr nah an Berlin. Das ist hier bei Berlin. Und er hatte den Versuch gestartet und dann wurde er rasiert, also hier den Kopf ganz kahl, und der wurde in einen Bunker gesperrt, bei Wulkow. Und dann hat man ihn angeblich auf die, scheinbar an die, ..., die wurden alle nach Terezín (Theresienstadt) zurück transportiert. Die wollten sie da nicht bei Berlin haben, ... weil die…“

Wolters-Sajn, Gisela. Interview 32275. Visual History Archive. USC Shoah Foundation 1997. Transkript Freie Universität Berlin. 2012. Web. [05.10.2023].