Henry Frank (1918-2002)

Der Komiker

Filmstill von Henry Frank aus dem Film „Gesucht wird…“ 1985
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Postkarte von Anna Frankenstein aus dem Ghetto Theresienstadt an ihren Sohn Heinz Frankenstein 1944
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„Lieber Heinz, hoffentlich bist Du gesund und munter. Mir geht es schon besser. […] Schreibe recht oft. Hoffentlich kommt ihr bald wieder. Viele herzliche Grüsse und Küsse von uns allen und Mutter“

Diese Karte ist eine von vielen, die Anna Frankenstein 1944 aus dem Ghetto Theresienstadt, adressiert an ihren Sohn Heinz Frankenstein, „Arbeitseinsatz Barackenbau“, schrieb. Arbeitseinsatz Barackenbau steht für den Arbeitseinsatz in Wulkow, einem Außenlager des Ghettos Theresienstadt. Dorthin wurde Heinz im März 1944 mit einer Gruppe junger Männer deportiert, um ein Ausweichquartier für das Reichssicherheitshauptamt zu bauen. Ihnen war versprochen worden, dass ihre Verwandten, wenn sie kooperierten, vor dem Transport in „den Osten“ bewahrt würden. In Wulkow wurden Heinz und die anderen von der SS misshandelt. Als Heinz im Februar 1945 nach Theresienstadt zurückkehrte, waren seine Mutter und seine Schwestern nach Auschwitz deportiert worden.

Henry Frank wurde 1918 als Heinz Frankenstein und jüngstes Kind der Familie in Berlin geboren. Die Kindheit von Henry und seinen vier Schwestern war von Armut geprägt. Der Vater Jakob, Träger des Eisernen Kreuzes, war im 1. Weltkrieg verwundet worden. Da es für ihn aufgrund von Krankheit in Verbindung mit den Verletzungen schwierig war zu arbeiten, säuberte die Mutter Gräber auf einem jüdischen Friedhof, um die Familie zu unterhalten. Die Familie war nicht sehr religiös, sie beging nur die zentralen jüdischen Feiertage. In ihrer gemischt-religiösen Umgebung hatten sie viele Freund:innen, bis 1933 erlebten sie keinen Antisemitismus. Nach 1933 veränderte sich ihr Leben: Henry musste die öffentliche Schule verlassen, er und seine vier Schwestern begannen zu arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Henry verdingte sich erst als Kohlenschlepper für die Nachbarschaft, dann in einer Munitionsfabrik.

Nach dem deutschen Überfall auf Polen floh Henrys älteste Schwester Dorothea mit ihrer Familie nach England, der Rest der Familie Frankenstein sah sich außer Stande, Berlin zu verlassen. Als Henry mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern Inge und Irene Ende Mai 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, lebten der Vater Jakob und seine Schwester Gerda bereits nicht mehr. Gerda war einen Monat zuvor im April 1942 mit ihrer Familie ins Warschauer Ghetto deportiert und in den baltischen Gebieten ermordet worden. Der Vater wurde im Rahmen einer sogenannten Racheaktion für den Brandanschlag zweier kommunistischer Widerstandsgruppen auf die Propagandaschau „Das Sowjetparadies“ ermordet. Eine Woche vor der Deportation von Henry, seiner Mutter und den beiden Schwestern wurde er mit 500 anderen Männern von der Gestapo „als Geiseln“ verhaftet, ins KZ Sachsenhausen verschleppt und dort Ende Mai erschossen.

Im Ghetto Theresienstadt musste Henry zunächst als Krankenpfleger im Ghettokrankenhaus arbeiten, später in einer psychiatrischen Anstalt. In Wulkow war Henry aufgrund seiner „Berliner Schnauze“, seines Humors und seiner kabarettistischen Einlagen bei den Mithäftlingen beliebt. Vom dortigen Kommandanten Franz Stuschka wurde er schwer misshandelt. Während dieser Zeit wurde seine Schwester Irene im Oktober 1944 aufgrund von Krankheit nach Auschwitz deportiert. Die Mutter meldete sich freiwillig, um sie zu begleiten. Als es der zurückgebliebenen Schwester Inge einige Tage später gelang, den beiden zu folgen, waren diese bereits in den Gaskammern ermordet worden. Inge wurde weiter nach Oederan, einem Außenlager von Flossenbürg, gebracht und musste in einer Munitionsfabrik Zwangsarbeit leisten. Henry wurde im März 1945, einen Monat nach seiner Rückkehr nach Theresienstadt, in ein Lager in Schnarchenreuth in der Nähe der Stadt Hof geschickt, um dort Unterkünfte zu renovieren. Bereits einen Monat später befand er sich mit etwa 200 Gefangenen zu Fuß auf dem Rückweg nach Theresienstadt, wo die Überlebenden des Marsches am 20. April 1945 ankamen. Einen Tag später traf er dort seine überlebende Schwester Inge wieder, die er kaum wiedererkannte.

Als Theresienstadt am 8. Mai von der Roten Armee befreit wurde, konnten Henry und Inge das Lager aufgrund einer Typhusepidemie nicht sofort verlassen. Die amerikanische Armee brachte die Geschwister in das Displaced-Persons-Lager Deggendorf, ein Unfall auf dem Weg dorthin bescherte Henry einen Rippenbruch. In Deggendorf blieb Henry bis zu seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten im Frühjahr 1946. Auch seine Schwester Inge blieb dort bis zu ihrer Ausreise nach England im September 1946. Von dort zog sie zu ihrer Schwester Dorothea auf eine kleine schottische Farm und übersiedelte im November 1949 ebenfalls in die USA. In den USA bekam Henry, obwohl er zunächst kein Englisch sprach, eine Stelle als Maschinenschlosser in einer Fabrik, später im Fleischgroßhandel. Seinen Namen änderte er dort in Henry Frank. Im April 1948 heiratete er Irene Silberstein, die er bereits in Deggendorf kennengelernt hatte. Henry und Irene bekamen zwei Kinder und zogen nach New Jersey. Sie besuchten regelmäßig die örtlichen Schulen und hielten Vorträge über ihre Erfahrungen während des Holocausts. Henry war aktiv an der Organisierung der Treffen der ehemaligen Wulkower Häftlinge beteiligt.

Henry Frank im Hafen von New York 1946
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