Albert Youngman (1925 - 2023)
Der Nazijäger
- © USC Shoah Foundation
Albert Youngman wurde am 17. Mai 1925 in Wien unter dem Namen Albert Jungmann geboren. Dort lebte er mit seiner Mutter Josephine Jungmann, geborene Fleischmann und späterer Reismann, seinem Vater Heinrich Jungmann und seinem Stiefvater Heinrich Reismann bis zu seinem 17. Lebensjahr. Albert war nicht religiös. In seiner Kindheit beging er seine Bar Mizwa und jüdische Feiertage in der Synagoge, wie er selber sagte, aus sozialen, nicht aus religiösen Gründen.
Während seiner Jugend war Albert Youngman Mitglied der zionistischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair. Dort wurde diskutiert, getanzt und Kultur erlebt. Die Gruppe erlernte handwerkliche Arbeiten für den Aufbau in Israel. Diese Kenntnisse kamen ihm später in den NS-Lagern zugute. Albert war zudem Mitglied der Widerstandsgruppe „Wiener Mischlingsliga“. Die Gruppe befasste sich mit regimekritischer Propaganda und der Unterstützung von Partisan:innen im damaligen Jugoslawien. Sie bauten Höhlen im Wiener Wald, um sich zu verstecken und einer Deportation zu entgehen. Youngman selbst hinterließ kaum Berichte über seine Widerstandstätigkeit. Laut der Historikerin Eleonore Lappin Eppel übernahm er die Aufrechterhaltung der Organisation in Theresienstadt, und laut Personalakte der Wiener Staatspolizei war er von 1941 bis zur Befreiung 1945 für die KPÖ illegal tätig. Er erhielt nach dem Krieg eine gruppeninterne Auszeichnung der „Wiener Mischlingsliga“ für seine Leistungen.
Kurz vor Kriegsbeginn scheiterte der Versuch Heinrich Jungmanns, mit seinem Sohn nach Australien auszureisen. Mit 15 Jahren musste Albert 1940 sein erstes Zwangslager im Süden Österreichs, an der Grenze zum damaligen Jugoslawien, durchleben. Dort hatte er schwere körperliche Arbeit beim Kraftwerksbau an der Drau in Lavamünd zu leisten. Danach folgten verschiedene handwerkliche Arbeiten in Wien. Alberts Mutter und er wurden im Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert. Die Arbeit der Mutter, die Rationskarten an die jüdische Bevölkerung aushändigen musste, und die spätere Arbeit von Youngman selbst, der Wohnungen von deportierten Jüdinnen:Juden ausräumen musste, hatte die beiden lange Zeit vor einer Deportation bewahrt. Alberts Vater gelang über Umwege schließlich die Flucht in die USA. Sein Stiefvater war bereits 1940 nach Polen deportiert und von dort nach Sibirien verschleppt worden.
Albert Youngman war etwa neun Monate in Theresienstadt, als er sich freiwillig für den Einsatz in Wulkow meldete, um seine Mutter vor der Deportation zu schützen. In Wulkow arbeitete Albert als Elektriker und war spezialisiert auf die Telefoninstallation im Lager. Durch diese Tätigkeit hatte er gewisse Privilegien und arbeitete mit SS-Offizieren in deren Baracken zusammen. Die Arbeit ermöglichte ihm auch den Zugang zu einem Raum, in dem Pakete von Angehörigen gelagert und den Häftlingen vorenthalten wurden. Als er Pakete entwendete und der Diebstahl herauskam, wurde er vom Lagerkommandanten Franz Stuschka schwer misshandelt und vermutlich zur Strafe nach Sachsenhausen deportiert.
Im November 1944 wurde Albert Youngman dort durch norwegische politische Häftlinge registriert. Diese gaben ihm statt des gelben Sterns das rote Dreieck. Albert galt somit als politischer, nicht als jüdischer Häftling. Dies rettete ihm das Leben. In Sachsenhausen erlebte Albert stundenlange Appelle, Zwölf-Stunden-Arbeitstage, und er erkrankte an einer Lungenentzündung. Ende April 1945 begann der Todesmarsch von Sachsenhausen Richtung Nordwesten, den er überlebte. Auf diesem Marsch traf Albert seinen Freund und Mithäftling aus Wulkow, Hans Edel, wieder. Beide erlebten die Befreiung in der Nähe von Schwerin. Alberts Mutter überlebte und wurde in Theresienstadt befreit.
Albert Youngman kehrte nach Österreich zurück und arbeitete bereits im Juli 1945 für die Wiener Staatspolizei. Die hohe Präsenz von Kommunist:innen und ehemaligen Häftlingen wie Youngman in der Staatspolizei trug erheblich zur anfänglichen Entnazifizierung und den zum Aufbau demokratischer Strukturen bei.
Unsere Aufgabe war es, Nazis zu jagen, und ich war gut darin. Aufspüren, vorbereiten für die Verfolgung, die Ermittlungen, die Zeugenaussagen. […] Ich ging ein paar Mal undercover und gab vor, ein ehemaliger SS-Mann zu sein.
Albert Youngman, 1996
Albert Youngman selbst war mitverantwortlich für die Festnahme Stuschkas und an den Ermittlungen gegen ihn direkt beteiligt. Nach seiner Rückkehr heiratete er Ann Lehotzky, und 1948 emigrierten die beiden mit ihrer kleinen Tochter Eva in die USA. Hier kam etwas später der Sohn Ken zur Welt. Albert erlernte den Beruf des Bodenlegers neu und eröffnete erfolgreich sein eigenes Geschäft.
Albert Youngman hatte später Kontakt mit anderen Wulkower:innen und war beim großen Wiedersehen 1997 in den USA dabei. Er verstarb am 4.1.2023.