Frauen im Lager
In Wulkow waren mehrheitlich männliche Häftlinge eingesetzt. Im Sommer 1944 verschleppte die SS eine größere Gruppe von Frauen nach Wulkow. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen waren denen der Männer sehr ähnlich, allerdings waren sie der Gewalt des Lagerkommandanten in besonderem Maße ausgeliefert. Leider gibt es kaum Quellen und nur wenige Zeug:innenaussagen und Aufzeichnungen zu der spezifischen Situation der Frauen.
Im August 1944 kam der vermutlich letzte Transport aus Theresienstadt in Wulkow an. In ihm befand sich eine größere Gruppe von 20 Frauen. Hinzu kamen 14 Frauen aus kleineren Transporten.
„Wir stiegen in einen Zug und wir bekamen etwas zu essen. Wir bekamen Leberpastete und Brot. Und es war wundervoll. Und in diesem Zug, es war wie ein Traum für uns. Wir sangen den ganzen Weg von Theresienstadt nach Wulkow. Wir 20 Frauen. Wundervoll, bis wir dort ankamen.“
Ingeborg Kantor, 1997
Diese „Leichtigkeit“ war mit der Ankunft des Zuges vorbei. Am Bahnhof in Trebnitz wartete ein Lastwagen auf den Zug aus Theresienstadt, der die Häftlinge ins Lager nach Wulkow brachte. Dort mussten sich die 20 Frauen eine Baracke mit Doppelstockbetten teilten. Die Baracke verfügte über keinen Ofen, im Winter muss es unvorstellbar kalt gewesen sein. Die Fenster der Baracke waren so undicht, dass der Schnee direkt auf den Betten der Frauen landete. Die Latrine sowie der Waschraum befanden sich außerhalb der Baracke.
Im Lager mussten die Frauen verschiedene Arbeiten verrichten. Offiziell wurden sie für geschlechtsspezifische Arbeiten (Kochen, Waschen, Putzen) nach Wulkow gebracht. Für die Wäsche gab es nur eiskaltes Wasser und keine Seife. Sie mussten außerdem die Baracke des Lagerkommandanten reinigen. Hinzu kamen schwere Transportarbeiten sowie völlig sinnlose Tätigkeiten, wie zum Beispiel Bäume putzen.
„Einige Tage nach meiner Ankunft im Lager Wulkow kommandierte S. T. [Stuschka] sämtliche Frauen zum Holz- und Steinetragen von einer Baustelle auf die andere. Es war bereits Nacht und daher finster, S. T. fuhr am Rand und wir Frauen mussten neben ihm die ca. 1 km lange Strecke laufen. S. T. überwachte persönlich, dass jeder ein anständiges Quantum trage. Wir mussten die Last mit vorgehaltenen Händen tragen und ich kann sagen, dass ich die Sklavenarbeit im alten Ägypten mir nicht anders vorgestellt habe.“
Martha Kraus, Zeugenaussage 1947
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Die Frauen im Lager waren zudem im besonderen Maße der sadistischen Gewalt des Lagerkommandanten ausgesetzt. Ingeborg Kantor erinnerte sich noch 1997: „Es wurde gesagt, dass, seit die Frauen da waren, die Männer es schlechter hatten. Er hasste die Mädchen. Er hasste die Frauen.“ Dies äußerte sich auch in spezifischen, gegen die Frauen gerichteten Strafen. So sollten sie bei einem Appell mit ihrem Körper Schlamm wegschieben, während die Männer ihnen dabei zusehen mussten.
„Die beiden Frauen Schlesinger und Thomas mussten in der Pfütze baden, zuerst die Vorderseite des Körpers völlig in die Pfütze hineinlegen und dann die Rückseite. Hierauf trat dann Stuschka auf Ober- bzw. Unterkörper, damit sie auch wirklich völlig in den Schlamm eingetaucht wurden. Diese Prozeduren wurden von Stuschka jedes Mal mit einem teuflischen Lachen begleitet. Nach fünf Stunden war dann auch dieser Zählappell zu Ende und auch dieser Sonntag verdorben.“
Willy Görner, 1949
Eine Frau wurde dabei „erwischt“ wie sie in Stuschkas Baracke auf eine Tageszeitung geschaut hatte. Dafür musste sie zur Strafe drei Tage in den „Bunker“, ein Erdloch, in dem es unmöglich war, aufrecht zu stehen.
Unter den Frauen entwickelten sich zum Teil lebenslange Freundinnenschaften. Ingeborg Kantor und Traute Schumann lernten sich auf der Deportation nach Wulkow kennen. Im Lager teilten sie ihr Essen und ihre Kleidung. Diese Freundinnenschaft hielt ihr restliches Leben.
„Und wir hatten sehr wenig Kleidung. Aber Traute und ich, wir haben alles geteilt. Wir hatten, zwischen uns … so, dass wir Dinge teilen können. Dann hatte ich dort einen Freund, der mir seine … er hatte ein Paar Pantoffeln aus Kord. Er gab mir das. Also hatten wir ein bisschen Kleidung, zwischen uns beiden. Und wir haben uns gegenseitig geholfen.“
Ingeborg Kantor, 1997