Heinrich (Jindřich) Rimpel (1906-1979)

Der Fotograf und Wahlprager

Heinrich Rimpel, genannt Hobby, wurde am 10. März 1906 als deutschsprachiger Jude in Mährisch-Ostrau (Ostrava) in Österreich-Ungarn, im Osten der heutigen Tschechischen Republik, geboren. Er wuchs als Einzelkind in einer eher religiösen und wohlhabenden Familie auf. Seinen Eltern, Jakub Juda Rimpel und Josefa Rimpel (später Rimpelová), gehörte dort ein Mietshaus, in dem sie einen Gemischtwarenladen betrieben.

Heinrich Rimpel in seiner Wahlheimatstadt Prag in den 1950er Jahren
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Heinrich Rimpel besuchte ein Realgymnasium und studierte nach dem Abitur in Brünn und Prag Architektur- und Bauingenieurwesen, war während des Studiums beim Militär und machte um 1930 in Prag sein Examen. Danach arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros in Ostrava und Prag und trieb viel Sport – Fechten, Hockey und Leichtathletik. Anfang der 1930er Jahre lernte er in einem jüdischen Sportverein in Prag seine spätere Frau Marketa (Margarethe, genannt Grete) Leknerová kennen; sie heirateten im Oktober 1936. Neben dem Sport liebten sie Musik und waren in einem linken jüdischen Club aktiv, wo sie politische Vorträge hörten und mit den anderen Mitgliedern Ausflüge ins Umland von Prag unternahmen.

Nach der Besetzung von Böhmen und Mähren durch die Deutschen am 15. März 1939 verlor Heinrich Rimpel seine Anstellung und schlug sich anschließend als Tischler durch. Später gelang es ihm, Visa für Shanghai zu bekommen; weil seine Frau aber ihre Mutter nicht allein zurücklassen wollte, blieben alle drei in Prag. Anfang Dezember 1941 wurde Heinrich Rimpel mit einem der ersten Transporte ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Seine Frau und ihre Mutter folgten ihm ein halbes Jahr später. Die Schwiegermutter starb im Mai 1943 als über 70-Jährige aufgrund der schlimmen Zustände im Ghetto.

Im März 1944 wurde Heinrich Rimpel aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten zum Aufbau des Außenlagers Wulkow in die Provinz Brandenburg geschickt und blieb dort bis zur Aufgabe des Lagers im Februar 1945. Direkt nach seiner Rückkehr nach Theresienstadt wurde er zu einem Arbeitskommando in ein KZ-Außenlager im bayerischen Schnarchenreuth (bei Hof) abkommandiert, von wo aus er kurze Zeit später den Rückweg nach Theresienstadt zu Fuß antreten musste. (Es handelte sich um einen sogenannten Todesmarsch.) Er erreichte Theresienstadt und wurde dort – wie auch seine Frau – am 8. Mai 1945 von der Roten Armee befreit. Seine Eltern waren, wie er später erfuhr, am 28. Oktober 1942 direkt nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet worden; er hatte unzählige weitere Angehörige und Freund:innen in der Shoah verloren.

Heinrich Rimpel mit seiner Frau Margarethe in Prag in den 1930er Jahren
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Nach der Befreiung gingen Heinrich Rimpel und seine Frau Margarethe zurück nach Prag, wo Heinrich später im Büro der jüdischen Gemeinde arbeitete. 1946 kam ihr Sohn Tomaš zur Welt, 1949 ihre Tochter Věra. Ab 1947 war Heinrich Rimpel bei den Gewerkschaften als Architekt tätig, er baute und sanierte Erholungsheime für Werktätige. Im Rahmen seiner Arbeit konnte er auch seinem Hobby nachgehen: Er war leidenschaftlicher Fotograf und fotografierte auf seinen arbeitsbedingten Reisen die heimatlichen Landschaften. Seit den 1960er Jahren hatte er mit – vermutlich verfolgungsbedingten – Herzproblemen zu kämpfen, musste deshalb zunächst die Arbeitszeit verkürzen und schließlich vorzeitig in den Ruhestand gehen. In diesen Jahren konzentrierte er seine Fotografie auf seine Wahlheimatstadt Prag.

Als nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 1968 beide Kinder in die BRD gingen, konnten Heinrich und Margarethe Rimpel ihnen zur Hochzeit ihrer Tochter im Dezember 1969 folgen, da sie bereits in Rente waren. Sie blieben schließlich in Bremen, in der Nähe der Tochter und ihrer Familie. Ihre Heimat durften sie nach ihrer Übersiedlung in die BRD nie wieder besuchen. Als „volksdeutsche Spätaussiedler“ erhielten sie die deutsche Staatsangehörigkeit und später neben ihrer regulären Rente auch Entschädigungszahlungen vom deutschen Staat. Heinrichs gesundheitliche Probleme wurden jedoch nicht als entschädigungsfähig anerkannt – ein Zusammenhang mit der Verfolgung sei nicht nachweisbar.

Heinrich Rimpel lebte in Deutschland mit der ständigen Angst, durch Zufall auf der Straße dem sadistischen Lagerkommandanten von Wulkow, Franz Stuschka, oder anderen NS-Täter:innen wiederzubegegnen. Die Erinnerungen an die Zeit der Verfolgung ließen ihn des Nachts immer wieder aus Alpträumen hochschrecken. Nach zwei Herzinfarkten starb Heinrich Rimpel am 26. Februar 1979, kurz nachdem er noch voller Stolz die Geburt seines zweiten Enkelkindes erleben durfte. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt beerdigt.

Heinrichs Fotos kehrten 2006 anlässlich seines 100. Geburtstages im Rahmen einer von seinen Kindern organisierten Ausstellung nach Prag zurück.

Heinrich Rimpel mit seiner Familie in Prag in den 1950er Jahren
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Heinrich Rimpel mit seiner Enkeltochter in Bremen in den 1970er Jahren
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