Arno Bagainski (1924-?)

Wegen einer Zigarette in den Tod geschickt

Stolperstein für Arno Bagainski in der Greifswalder Str. 202 in Berlin/Prenzlauer Berg
  • © OTFW

Arno Bagainski wurde am 30. November 1924 in Berlin geboren. Seine Eltern Hermann Hirsch Bagainski und Helene Bagainski (geborene Ruschin) hatten neben dem jüngstgeborenen Arno noch zwei weitere Kinder, Margot (geb. 1919) und Julius (geb. 1921). Sein Vater Hermann betrieb in Berlin ein Büro für Rechts- und Steuerberatung.

Arno besuchte wie sein älterer Bruder – und vermutlich auch Margot – die Städtische Volksschule in der Georgenkirchstraße in Berlin-Friedrichshain. Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre trafen die Familie zwei Schicksalsschläge:

1929 musste Arnos Vater infolge eines früheren Arbeitsunfalls das Bein bis zum Oberschenkel amputiert werden. Er musste daraufhin sein Beratungsbüro aufgeben und wurde damit Wohlfahrtsempfänger, da er seine Familie nicht durch eigene Berufstätigkeit unterhalten konnte. Nur einen Tag nach ihrem 35. Geburtstag, im Juli 1930, verstarb Arnos Mutter Helene. Arno war zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre alt.

Im April 1932 heiratete Arnos Vater Margarete Schach. Aus dieser zweiten Ehe sind Arnos Halbgeschwister Erna (geb. 1934) und Joachim (geb. 1937) hervorgegangen.

1933 begann die schrittweise Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen:Juden, wovon fortan auch die Familie Bagainski betroffen war.

So mussten Arno und sein Bruder Julius 1935 die Städtische Volksschule verlassen. Julius besuchte noch bis 1936, Arno bis 1939 die jüdische Schule in der Rykestraße. Beide Brüder fanden nach ihrem Abschluss keine Lehrstelle. Zwischen 1936 und 1938 absolvierten Arnos Geschwister Julius und Margot Fortbildungskurse in Ausbildungslagern, vermutlich in Groß Breesen (dem heutigen Brzeźno bei Trzebnica in Niederschlesien) und im brandenburgischen Havelberg, die die Jugendlichen auf die Auswanderung vorbereiten sollten. Falls Arnos älterer Bruder Julius konkrete Schritte zur Auswanderung unternommen hatte, scheiterten diese. Einzig Margot gelang es 1939 gemeinsam mit ihrem Ehemann Heinrich, den sie in Havelberg kennengelernt hatte, nach Palästina auszuwandern.

Im selben Jahr begann Arno eine Lehre als Koch in der Zentralküche der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Diese gab er jedoch im Herbst 1941 auf, nachdem er auf dem Arbeitsweg wiederholt wegen seines an der Kleidung angebrachten „Judensterns“ bedroht wurde. Spätestens ab Oktober 1941 wurde der damals 16-jährige Arno, genauso wie sein Vater Hermann, seine Stiefmutter Margarete und sein Bruder Julius, zu Zwangsarbeit in Berliner Unternehmen verpflichtet.

Karteikarte von Arno Bagainski der Reichsvereinigung der Juden
  • © Arolsen Archives, Bestand 1.2.4.1, docID 12648148

Der systematischen Entrechtung folgten schließlich die Deportationen der Familie Bagainski: Arnos Bruder Julius wurde im Rahmen der ersten Deportation aus Berlin am 18. Oktober 1941 über den Bahnhof Grunewald in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz, Łódź) deportiert. Ein halbes Jahr später, am 7. Mai 1942, wurde er weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert. Dort wurde er vermutlich unmittelbar nach der Ankunft des Transports ermordet. Seine Familienangehörigen in Berlin erhielten über das Schicksal von Julius wahrscheinlich keine Informationen.

Ebenfalls im Mai 1942 wurde Arnos Vater Hermann im Zuge der willkürlichen Vergeltungsmaßnahmen nach dem Brandanschlag auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ in Berlin verhaftet und nach Sachsenhausen gebracht. Dort wurden am Morgen des 28. Mai 250 der 500 Verhafteten erschossen, darunter auch Arnos Vater Hermann Bagainski.
Die übrigen Familienmitglieder erhielten kurz darauf den Deportationsbescheid. Arno, seine Stiefmutter Margarete sowie seine minderjährigen Halbgeschwister Erna und Joachim wurden in die Sammelstelle in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Von dort aus wurden sie Anfang Juni 1942 mit einem Sondertransport, der ausschließlich für Angehörige der Erschossenen bestimmt war, in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Transportschein zum sogenannten „3. Alterstransport“ vom 5. Juni 1942 von Berlin nach Theresienstadt. Entgegen der Bezeichnung wurden Jüdinnen:Juden unterschiedlichen Alters im Kontext mehrerer „Vergeltungsmaßnahmen“ deportiert.
  • © Arolsen Archives, Bestand 1.2.4.1, docID 127187766

Arno Bagainski meldete sich im Ghetto Theresienstadt für einen Arbeitstrupp und kam vermutlich nach anderen Einsätzen im März 1944 in das sogenannte Außenkommando Zossen nach Wulkow.

Im Laufe des Jahres 1944 wurde er zusammen mit anderen Häftlingen wegen des Besitzes von Zigaretten strafversetzt. Der Lagerkommandant Franz Stuschka ließ immer wieder einzelne Personen zur schärferen Bestrafung nach Sachsenhausen oder in das Gestapogefängnis Kleine Festung im Ghetto Theresienstadt abtransportieren. Diese Strafversetzungen bedeuteten in der Regel das Todesurteil für die Deportierten. So vermutlich auch für Arno Bagainski: Ende September 1944 erreichte Margarete Bagainski im Ghetto Theresienstadt ein Brief ihres Stiefsohnes Arno aus dem Sammellager in der ehemaligen Pathologie des Jüdischen Krankenhauses im Berliner Wedding. Dieser Brief war das letzte bekannte Lebenszeichen von Arno Bagainski, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war.

Margarete Bagainski wurde mit ihren Kindern Erna und Joachim im Mai 1945 von der Roten Armee in Theresienstadt befreit. Nach der Befreiung gingen sie in die Schweiz und lebten später in Israel in einem Kibbuz bei Margot (Miriam Timnah, verstorben 2016) und ihrem Ehemann.

Indra Hemmerling: Biografie Arno Bagainski, in: Stolpersteine in Berlin.
http://danielabraham.net/tree/related/dora/, aufgerufen am 21.08.23