Klaus Scheurenberg (1925-1990)

„Ich will leben“

Geboren am 20. September 1925 als Sohn der jüdischen Eheleute Paul und Lucie Scheurenberg in Berlin-Charlottenburg, wuchs Klaus Scheurenberg in den ersten beiden Lebensjahren in Letschin (Oderbruch) auf.

Im Jahr 1927 zog die Familie zurück nach Berlin, wo Paul und Lucie einen Obsthandel betrieben. Frida – eine Nachbarin aus Letschin, die mit nach Berlin zog – versorgte den Haushalt und die Kinder. Klaus Scheurenberg ging seit 1931 zur Schule, wo er anfangs vom Religionsunterricht befreit war. Später hatte er neben wenigen anderen Kindern jüdischen Religionsunterricht. Hier lernte er zum ersten Mal die jüdische Geschichte kennen, hatte ab dem zweiten Jahr Hebräisch und besuchte die Synagoge.

1933 nahm der Antisemitismus weiter zu, und selbst Freund:innen der Familie Scheurenberg wandten sich von ihnen ab. Dennoch ließ sich Klaus an einem Heimabend in die Hitlerjugend aufnehmen, nur um am nächsten Heimabend wieder hinausgeworfen zu werden. Klaus ging weiterhin zur Schule und schloss sich enger an andere jüdische Jungen an. Anfang 1936 – und damit drei Jahre vor dem Ende des Mieterschutzes für Jüdinnen:Juden – wurde den Scheurenbergs die Wohnung in Berlin-Reinickendorf gekündigt. Die Eltern bekamen eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Mitte. Hier wurde Paul auch bald Hauswart.

Ab diesem Jahr besuchte Klaus Scheurenberg die jüdische Schule und ab 1937 die jüdische Mittelschule, weil diese näher an der Wohnung lag. Im Jahr 1937 wurde er als nun 12-jähriger von einer jüdischen Organisation nach Schönlake in Westpreußen verschickt. Zum ersten Mal verreiste er in einer Gruppe und lernte seinen Freund Max Ottinger (Mucki) kennen.

Im September 1938, am Sabbat nach seinem 13. Geburtstag, feierte Klaus in der jüdischen Gemeinde die Bar Mizwa und bekam seinen hebräischen Namen Akiva Ben Schaul (d. h. Akiva, Sohn des Schaul, so der hebräische Name seines Vaters). Für diesen Tag hatte er als Balljunge auf dem Tennisplatz Geld verdient, um ihn unvergesslich werden zu lassen. Mit den Novemberpogromen 1938 änderte sich für jüdische Familien das Leben schlagartig. So auch für die Familie Scheurenberg. Klaus’ Bruder Heinz emigrierte nach Palästina, während der Rest der Familie in Berlin blieb.

Vormittags ging Klaus in die Schule und nachmittags in die Aliya-Vorbereitung. Dort sog er viel Wissen in sich hinein und verfolgte zusammen mit Mucki konsequent diesen Weg. Im August 1939 fuhr er für vier Wochen nach Rüdnitz in ein Vorbereitungslager für die Auswanderung. Zu dieser Zeit war er schon Leiter der Kulturarbeit seiner Gemeinschaft.

Der 1. September 1939 war sein vorletzter Tag in Rüdnitz und – mit dem deutschen Überfall auf Polen – der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Es war die letzte Chance auf Auswanderung nach Palästina. Auf Anordnung seines Vaters nutzte Klaus Scheurenberg diese Chance jedoch nicht. Er besuchte 1940 die Hachschara, ein jüdisches Vorbereitungslager landwirtschaftlicher Ausrichtung. Das Lager erzog seine Teilnehmer:innen nach den Grundsätzen eines Kibbuz’, indem sie das Leben in der Gemeinschaftssiedlung in Palästina übten. Im Frühjahr 1940 ging er zusammen mit Freund Mucki nach Schniebinchen in der Niederlausitz. Dort sollte er Bauer und Zionist werden.

1941 begann Klaus Scheurenberg seine nur vier Monate lange Lehre als Tischler. Danach begann er eine Arbeit bei der Firma Dr. Otto Kolshorn in Niederschönhausen. Die Firma imprägnierte Eisenbahnschwellen und stellte Holzpflaster her.

Ab dem 19. September 1941 musste Klaus Scheurenberg wie alle Jüdinnen:Juden den gelben Stern tragen. 1942 wurde er zusammen mit seiner Mutter zum ersten Mal von der Gestapo aus der Berliner Wohnung abgeholt und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht. Nach wenigen Stunden konnte sein Vater sie wieder nach Hause holen, weil er von seiner Arbeit als Hauswart Leute bei der Gestapo kannte. Auch einer zweiten Hausräumung entging die Familie.

Nachricht von Klaus Scheurenberg an seinen Vater, 1942
  • © Centrum Judaicum, Berlin

In diesem Jahr musste Klaus Scheurenberg zur Musterung. Er bekam sogar einen Wehrpass und einen Pass zum Reichsarbeitsdienst, jedoch mit dem Stempel „Wehrunwürdig – Jude“.

Als die Gestapo am 27. Februar 1943 die Elsässer Straße in Berlin räumte, war Klaus erneut nicht zu Hause und entging einer Deportation. Kurze Zeit später lernte er Helga, eine nicht-jüdische Deutsche kennen und verbrachte einige Wochen mit ihr. Sie gingen schwimmen, rudern oder sogar ins Kino – er hatte gelernt, den gelben Stern geschickt zu verstecken. Während dieser Zeit arbeitete Klaus bei der Stadtbahn.

Als er am 7. Mai 1943 nach einem Nachmittag mit Helga nach Hause kam, sah er schon die Gestapo vor dem Haus. Die Familie wurde abgeholt und wieder in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht. Am nächsten Tag erfolgte die Registrierung für Theresienstadt. Zehn Tage später, am 17. Mai 1943 und „nach einer Tasse Malzkaffee und einem Marmeladenbrot“, folgte die Deportation nach Theresienstadt, wo der Zug am späten Abend eintraf.

Dort wurde Klaus Scheurenberg zunächst dem Leichenträger-Kommando zugeteilt, nach zwei Tagen wechselte er in die Tischlerei. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 70 Stunden. Im April 1944 erhielt Klaus die Einberufung zum Barackenbau im Außenlager Wulkow. Dort arbeitete er weiter als Tischler. Trotz der schweren Bedingungen – ständiger Hunger, Kälte, Bestrafungen – überlebte er Wulkow, und am 11. Februar 1945 endete der achttägige Rücktransport nach Theresienstadt, wo er seine Eltern wiedersah und in einer Bäckerei zu arbeiten hatte.

Am 8. Mai 1945 befreite die Rote Armee das Ghetto Theresienstadt. Alle Häftlinge versuchten, ihre Heimat zu erreichen. Ende Juni 1945 kam Klaus auf einem Lastwagen wieder zurück nach Berlin, wo er eine kleine Wohnung bezog.

Ab 1947 trafen sich die ehemaligen Wulkower:innen regelmäßig. Klaus Scheurenberg arrangierte 1984 ein Treffen in Berlin, bei dem auch das WDR-Film-Team Aufnahmen für die Dokumentation „Gesucht wird...“ drehte.

Ab 1981 war er einer der Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin (GCJZ). Seine Biographie hielt er in seinem ersten Buch „Ich will leben“ fest, das 1982 erschien. Acht Jahre später, 1990, erschien sein zweites Buch „Überleben. Flucht- und andere Geschichten aus der Verfolgungszeit des Naziregimes“.

Klaus Scheurenberg starb, noch nicht 65-jährig, am 9. Juni 1990 in Berlin.