Erich Lichtblau / nach 1945 Eli Leskly (1911-2004)

Zeichnen, um zu leben

Erich Lichtblau zeichnete im Ghetto Theresienstadt zahlreiche Bilder in Form von Karikaturen. In ihnen hielt er mit ironischem Blick Situationen und Nöte des Ghettoalltags fest. Dass dies mit enormen Gefahren verknüpft war, zeigt die sogenannte Künstleraffäre: Im Sommer 1944 wurden Bilder der bekannten Künstler Leo Haas, Ferdinand Bloch, Otto Ungar und Bedřich Fritta entdeckt, die den schrecklichen Ghetto-Alltag nur zu genau wiedergaben. Die Künstler wurden in der Folge in das Gestapo-Gefängnis „Kleine Festung“ verschleppt und von dort weiter in die Vernichtungslager. Nur Leo Haas überlebte. Erich wollte alle seine Bilder zerstören, als seine Künstlerfreunde verschwanden, aber Else erlaubte es ihm nicht: "Wenn wir überleben, wird niemand glauben, was wir durchgemacht haben. Die Bilder sind unser einziger Beweis". Gemeinsam schnitten sie alle Bildunterschriften und andere "verdächtige" Teile aus den Gemälden heraus, den Rest verpackte Else und warf ihn durch einen Spalt in den Holzdielen ihrer Baracke. Kurze Zeit später wurde Erich nach Wulkow geschickt. Als sie befreit wurden, fanden und retteten sie das Paket unter dem Fußboden und nahmen es mit nach Prag, wo Erich die Ausschnitte wie ein Puzzle rekonstruierte, wobei die fehlenden Teile leer gelassen wurden, alles auf von ihm erstellten schwarzen Pappkarton. Erich zeichnete fast sein ganzes Leben lang viele Versionen seiner ursprünglichen Theresienstädter Bilder.

Erich Lichtblau wurde am 16. Juni 1911 in der mährischen Kleinstadt Hrušov, heute ein Ortsteil von Ostrava, in eine kleinbürgerliche Familie geboren. Sein Vater, ein Schneider, starb, als Erich neun Jahre alt war, und hinterließ Erichs Mutter mit vier Kindern. Erich war gezwungen, die Schule zu verlassen und als Elektrikerlehrling Geld zu verdienen. Danach lebte Erich bei seinem Großvater Samuel Storch. Samuel Storch war Handelsreisender und ein angesehenes Mitglied der jüdischen Gemeinde. In seiner Freizeit fertigte er Kunstschnitzereien an, die einen großen Eindruck bei Erich hinterließen. Er machte eine Ausbildung als Dekorateur.

Erich war in der jüdischen Jugendbewegung aktiv und hatte mehrfach das Vorhaben, nach Palästina zu emigrieren, verfügte jedoch nicht über „die Kraft und die Mittel“.

1930 begann er, Produktdesign an der Hamburger Decorationsfachschule zu studieren. Nach Abschluss seines Studiums kehrte er nach Ostrava zurück und arbeitete als Dekorateur. Am 30. Mai 1937 heiratete er Elsa (Else) Silbiger, geboren am 26. Juli 1913.

Bald nach der Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939 flohen die beiden nach Prag, wo Erich als Bauarbeiter arbeitete. Anfang 1940 zogen Erich und Elsa in das kleine Dorf Dobešice bei Písek im südlichen Böhmen, um dort mit einer zionistischen Jugendgruppe „auf Hachschara zu gehen“. Sie lernten Hebräisch und eigneten sich praktisches Wissen an, das für die Emigration nach Palästina von Nutzen war. Aus dieser Periode stammt das einzige Foto aus der Zeit vor der Inhaftierung der beiden im Ghetto Theresienstadt.

Nach Auflösung der Hachschara mussten sie Zwangsarbeit leisten, bevor sie schließlich im November 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden, wo Erich dem Bauhof zugewiesen wurde und Elsa als Reinigungskraft im Kinderheim sowie in der Küche arbeitete. Einige Zeit später wurde Erich in die Abteilung Graphik und Reproduktion versetzt, eine Untergliederung der Technischen Abteilung. Unter anderem arbeitete er dort in der Gestaltung der Ghetto-Theater. Das Netzwerk der zionistischen Jugendorganisation mit ihrem Dachverband Hechaluz bestand auch im Ghetto weiter.

Am 26. August 1944 kam Erich Lichtblau mit dem vermutlich letzten Transport nach Wulkow, wo er als Maler eingesetzt wurde. Elsa blieb im Ghetto und war durch seine Tätigkeit in Wulkow vor der Deportation geschützt. Sie versteckte die Zeichnungen von Erich und rettete sie so für die Nachwelt. In Wulkow verlieh Lichtblau dem Sadismus Stuschkas einen zeichnerischen Ausdruck: Er zeichnete eine entwürdigende Bestrafung seines Mitgefangenen Ludwig Breier. Dieser musste sich vor den Augen seiner Mitgefangenen in eine Art Vogelvoliere begeben. Auf einem weiteren Bild zeichnete er seine Freunde im Lager Wulkow. Im Februar 1945 kam Erich nach der menschenunwürdigen achttägigen Bahnfahrt zurück ins Ghetto.

Bestrafung Ludwig Breiers, gezeichnet von Eli Lichtblau-Leskly
  • © Privat
Sechs Freunde, gezeichnet von Eli Lichtblau-Leskly
  • © Privat

Bald nach der Befreiung änderte er seinen Namen in Eli Leskly. Elsa weigerte sich nach dem Krieg, einen deutschen Namen zu tragen. Eines Tages wurde sie von einem Verkäufer nach ihrem Namen gefragt, um ihn auf einen Kassenzettel zu schreiben. Als sie "Else Lichtblau" antwortete, sagte er zu ihr "Sie sind Deutsch?". Zurück zu Hause sagte sie zu Erich: "Sie haben unsere Familien ermordet, ich weigere mich, für deutsch gehalten zu werden."

Außerdem begann er, die von Elsa aufbewahrten Zeichnungen zu restaurieren und fertigte auch neue Zeichnungen über seine Zeit der Inhaftierung an. 1946 wurden Eli und Elsa Eltern: Ihre Tochter Mira wurde geboren. Zwei Jahre später wurde ihr Sohn Rani geboren. Sie lebten zunächst in Písek, ganz in der Nähe ihres Hachschara-Ausbildungsorts, und zogen später nach Teplice, in die ehemaligen Sudetengebiete. 1949 emigrierte die Familie über Italien nach Israel.

Dort setzte Eli die Restaurierungsarbeiten fort und zeichnete, nachdem er in den 1970er Jahren Rentner wurde, viele seiner Bilder in Plakatgröße neu. 1976 fand seine erste Ausstellung in der von Ghetto-Überlebenden gegründeten Gedenkstätte Beit Terezín statt und 1984, nachdem Leskly einen Großteil seiner Zeichnungen an das Holocaust-Museum von Los Angeles geliehen hatte, seine erste Ausstellung in den USA.

In Israel verdiente Eli sein Geld zunächst mit Fassadenmalerei. Von 1957 bis zu seiner Pensionierung 20 Jahre später arbeitete er als Fensterdekorateur in einem Tel Aviver Kaufhaus. Er starb 2004 im Alter von 93 Jahren. Elsa starb 2010 im Alter von 97 Jahren. Erst in diesem Jahr erfuhr ihre gemeinsame Tochter Mira-Oren Leskly von der Inhaftierung ihres Vaters in Wulkow.

Selbstporträt, nach 1945 & Audioausschnitt Eli Leskly zu Strafen, 1965
Selbstporträt, nach 1945 & Audioausschnitt Eli Leskly zu Strafen, 1965
  • © The Hebrew University of Jerusalem