Hanuš Hron (1925-2023)

Der letzte Wulkower

Hanuš Hron auf dem Gelände des ehemaligen Außenlagers Wulkow, Wanderseminar 2021
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Hanuš Hron wurde am 18. Juni 1925 im tschechischen Most (dt. Brüx) unter dem Namen Hanuš Weinstein geboren. Er und seine Schwester verbrachten eine glückliche Kindheit im Vorkriegs-Most, wo sein Vater als Hals-Nasen-Ohren-Arzt arbeitete. "Ich stamme aus einer Familie, die damals 'Dreitagsjuden' genannt wurde. Wir gingen nur dreimal im Jahr in die Synagoge, an Pessach, Jom Kippur und Rosch Haschana", beschrieb er die religiöse Praxis seiner Familie.

Seine Mitgliedschaft bei den Pfadfindern half ihm – wie er selbst sagte –, spätere Ereignisse in seinem Leben als Abenteuer zu betrachten. "Bis in die zweite Hälfte der 1930er Jahre begegnete ich dem Antisemitismus nicht sehr oft, abgesehen von den üblichen kindlichen Hänseleien", erinnerte er sich. Dann jedoch nahmen die Aggressionen der Deutschen in Most gegenüber Juden langsam zu. "Sie machten nächtliche Umzüge mit Fackeln, die manchmal vor unserem Haus Halt machten. Es war allgemein bekannt, dass dort ein jüdischer Arzt lebte. Aber niemand hat damit gerechnet, dass es zu einem solchen Ende kommen würde."

Nach der Besetzung des Sudetenlandes im Herbst 1938 suchte die Familie Schutz in Prag. Seine Eltern mieteten eine Wohnung und er konnte eine Zeit lang in die Schule gehen, es war ihm jedoch verwehrt, ein Gymnasium zu besuchen. Seine Freizeit verbrachte er meist im jüdischen Sportverein mit Mannschaftsspielen und Leichtathletik. Nach seinem Schulabschluss suchte er nach einer Lehrstelle, doch auch das wurde immer schwieriger: Für kurze Zeit wurde er als Lehrling in einer Klempnerei angenommen, aber schon bald wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen. Ähnlich ging es ihm bei anderen Unternehmen, so dass er häufig wechselte, unter anderem arbeitete er für kurze Zeit als Lehrling in einem Wasserwerk.

Hanuš und Anna Weinstein (Hanuš Hron und seine Schwester Anna Lorencova) in den 1930er Jahren in Prag/Tschechoslowakei
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Hanuš' Vater hatte seit der Ausrufung des Protektorats nach einer Möglichkeit für die Familie gesucht, ins Ausland zu emigrieren. Das war schwierig, denn die meisten Länder verlangten hohe Einlagen oder Bürgschaften. Schließlich bekam er die Möglichkeit, als Arzt nach China zu gehen, hatte aber nicht genug Geld, um seine Familie mitzunehmen. So brach er Anfang 1941 alleine auf, mit dem Plan, seine Frau und Kinder nachzuholen, sobald er wirtschaftlich abgesichert sei. "Die meisten jüdischen Familien hatten diese Möglichkeit nicht", erklärte Hanuš. Bevor der Vater jedoch alles in die Wege leiten konnte, wurden die zurückgebliebenen Familienmitglieder (Hanuš, seine Mutter und seine Schwester) nach Theresienstadt deportiert.

Dort arbeitete der sechzehnjährige Hanuš aufgrund seiner Lehre im Wasserwerk als Pumpen- und Rohrreparateur, eine Stelle, die ihn und seine Restfamilie vor den Deportationen in „den Osten“ und damit vor der Vernichtung schützte. 1944 meldete er sich freiwillig für einen Transport von Handwerkern nach Deutschland. In Wulkow, einem Außenlager von Theresienstadt in den Wäldern 60 km von Berlin, sollten sie ein Ersatzquartier für die Gestapo errichten, aufgrund der Bombardierungen von Berlin. "Da sie uns vor Ort kaum an der Flucht hindern konnten, versprachen sie uns, dass während unseres Aufenthalts in Deutschland unsere Familienangehörigen in Theresienstadt vor dem Transport nach Polen geschützt würden", erinnerte er sich. In seinem Fall hielt das Versprechen: Im Februar 1945 traf er seine Mutter und seine Schwester in Theresienstadt wieder. Damals ahnte er, dass das Kriegsende nahe war, denn in Wulkow hatten sie bereits das Donnern der Artillerie von der Oder gehört. Im Mai 1945 wurde Hanuš mit seiner Familie in Theresienstadt befreit.

1946 kam der Vater aus China zurück, nach der fünfjährigen Trennung war es jedoch schwer, die Beziehungen wieder aufzubauen. Zu dieser Zeit war Hanuš Mitglied der Kommunistischen Partei und des Tschechoslowakischen Jugendverbandes. Er begann bei einem Pumpenhersteller in Lutín bei Olomouc zu arbeiten und absolvierte später als Angestellter der Jugendunion im Eisenwerk Třinec ein Fernstudium, das er auch abschloss. Seine Karriere als kommunistischer Aktivist war nur von kurzer Dauer. "Nach dem Prozess gegen Rudolf Slánský gerieten die Juden wieder in den Fokus", beschrieb Hanuš Hron den neu aufkommenden Antisemitismus. Auf einem Parteitag sprach er sich gegen einen Parteibeschluss aus – die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten: Er wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und seiner Ämter enthoben. Die folgenden Jahre verbrachte er als Hilfsarbeiter in Ostrava und Most. Im Jahr 1968 gewann er ein offenes Auswahlverfahren für die Stelle eines Fabrikdirektors in Nejdek, die ihm jedoch nach dem Einmarsch des Warschauer Paktes im August 1968 wieder entzogen wurde. Bis 1989 arbeitete er dann in der Produktion von Vulkanisierpressen in der Firma Chodos in Chodov bei Karlovy Vary.

Hanuš war verheiratet und sehr stolz auf seine Familie mit vielen Kindern und Enkelkindern, er betrachtete seine große Familie als späten Sieg über die Nazis. Er war den ehemaligen Häftlingen von Wulkow stets verbunden und nahm regelmäßig an Treffen der Wulkower teil. Wulkow, den Ort des ehemaligen Lagers im Wald, besuchte er zweimal, zuletzt im Sommer 2021 im Rahmen einer Gedenkwanderung zu Wulkow und eines Zeitzeugengesprächs über das Lager im nahegelegenen Schloss Trebnitz. Seine lebendigen Erzählungen über seine Zeit in Wulkow waren eine zusätzliche Motivation für die Entstehung dieser Webseite.

Er verstarb am 13. April 2023.

Videointerview Zeitzeugengespräch Hanuš Hron in der Feldsteinscheune Trebnitz 2021
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