„Freizeit“ und Unterhaltung als Ablenkung vom Alltag

Neben den miserablen Zuständen beschrieben ehemalige Häftlinge immer wieder, dass es zu freizeitähnlichen Situationen kam. So ergaben sich in den Baracken beispielsweise abends Momente, in denen die Häftlinge etwas Zeit für sich finden konnten. Es gab romantische Beziehungen im Lager. Auch kleine humoreske Einlagen waren Ablenkungen im Alltag und halfen den Häftlingen, sich aufzumuntern und die schweren Lebensbedingungen im Lager besser zu ertragen.

„Da waren zwei Typen. Einer war Heinz Frankenstein. Er nennt sich Henry Frank jetzt und lebt in New Jersey. Und diese beiden Berliner Jungs haben Pantomimen gemacht, witzige Pantomimen. Und wenn wir draußen standen nach dem Abendessen, dem sogenannten Abendessen, im Hof, haben sie diese vorgeführt. Und wir standen um sie herum und lachten. Es war wunderbar, für diese wenigen Momente, wissen Sie?“

Ingeborg Kantor, 1997

Als ein besonderes Ereignis wurde immer wieder das Weihnachtsfest 1944 beschrieben. An diesem Tag war eine kleine Feier geplant, die zum Erstaunen aller von Stuschka genehmigt wurde. So bauten die Häftlinge in einem kleinen Raum neben der Küche eine provisorische Bühne auf. Der Häftling Heinz Frankenstein saß auf der kleinen Bühne, erzählte Witze und sang Lieder. Als Stuschka und ein weiterer SS-Mann irgendwann in der Tür erschienen, erstarrten alle, die beiden setzten sich jedoch und befahlen Frankenstein, weiter zu machen. Stuschka schien sich zu amüsieren. Irgendwann ließ er sogar die Pakete der Angehörigen aus Theresienstadt holen und verteilte sie. Doch es gab noch ein übles Nachspiel, da Stuschka während der Feier die Baracken der Häftlinge durchsuchen ließ und dabei eine Zimmermannsaxt gefunden wurde, welche normalerweise nach der Arbeit im Werkzeuglager abzugeben war. Stuschka wähnte nun einen Anschlag auf sich und ordnete einen Strafappell an. Bei großer Kälte mussten die Häftlinge mehrere Stunden vor der Wohnbaracke stehen. "Dieser Nachmittag war die erste und letzte Freizeit, die wir in Wulkow erlebt haben", so beschrieb es der ehemalige Häftling Walter Grundwald in den 1990er Jahren.

Häftlinge abends in der Baracke, gezeichnet von Herbert Kolb
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SechsSechs Freunde, gezeichnet von Eli Lichtblau-Leskly, 1970-1980
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